Gastartikel

Stillen trotz Brustkrebs?

geschätzte Lesezeit: 8 Minuten bearbeitet am: 11.12.24

Vor einiger Zeit habe ich eine Mama beim Stillen begleitet, die an Brustkrebs erkrankt ist. Sie hat mir nun einen Text über ihre Erfahrungen verfasst, den ich mit dir teilen möchte. Der weitere Text ist nun von ihr.

Stillen trotz Brustkrebs? Meine Gedanken und Erfahrungen

Schön, dass du dich für das Thema Stillen interessierst. Denn deshalb hast du dich wahrscheinlich bis hierher durchgeklickt.

 Inzwischen gibt es ja viele wissenschaftliche Berichte im Netz und auch viele Meinungen mit allen Fürs und Widers, was das Stillen anbelangt. Dass es sehr gut für das Baby ist, das ist keine Frage mehr. Aber man findet kaum Artikel über Stillen mit/ bzw. nach Brustkrebs oder anderen Erkrankungen der Brustdrüse.

Deshalb hier einmal meine Geschichte, die dich darin ermutigen soll DEINEN Weg zu finden!

 Für mich persönlich war schon immer klar, dass ich, falls ich einmal ein eigenes Baby haben werde, stillen werde. Denn für mich ist es das Natürlichste, was es überhaupt gibt. Ich habe sieben Jahre in Uganda gelebt und somit täglich mehrmals stillende Mütter gesehen! Hey, wir sind in der Lage unseren Kindern das Beste zu geben! Ist das nicht genial?

stillendes Baby
Vielleicht bin ich etwas naiv, aber ich habe nie darüber nachgedacht, dass aus irgendwelchen Gründen das Stillen nicht funktionieren könnte. Bis ich selbst ein Kind in den Armen hielt und darum kämpfte es auf dem natürlichen Weg ernähren zu können.

 Es gab plötzlich viele Hürden zu nehmen. Über die Herausforderungen, die es hinsichtlich des Stillens gibt wird auch sehr wenig gesprochen, bzw. überhört man sie wahrscheinlich, bis man selbst davor steht.

 Ich war also voller Hoffnung, trotz eines operierten Mamma Karzinoms 2 Jahre vor der Geburt unseres Sohnes, voll stillen zu können. Schließlich hatte ich ja noch meine gesunde Seite und wäre nicht die einzige Frau, wo es nur auf einer Seite funktioniert.

Doch ganz von vorn: Als ich 2020 die Diagnose Brustkrebs bekam war ich 37 Jahre alt und es war mein Hochzeitsjahr. Also die Familiengründung stand noch an. Die Ärztin, die alles mit uns besprach war der Meinung, dass es kein Problem sei, trotz der OP und Behandlung zu stillen.

Ich hatte das große Glück eine sehr „harmlose“ Variante eines Tumores zu haben. Somit brauchte ich keine Chemotherapie und auch die Antihormontherapie war nicht notwendig. Nur eine zusätzliche Bestrahlung schädigte das gesunde Gewebe. Die Frauenärzte wussten dann aber doch nicht, ob die Brustdrüse genügend Milch produzieren könne. Also blieb es spannend. Ich machte mir aber trotzdem überhaupt keine Sorgen, denn ich hatte ja die andere Seite noch...

2021 wurde ich schwanger.

positiver Schwangerschaftstest
Auf Anraten meiner Hebamme bereitete ich meine Brüste auf das Stillen vor. So war die Freude riesengroß, als beim Ausstreichen der Brüste und Manipulieren der Brustwarzen sich an der operierten Seite ein Tropfen bildete. Mir kamen Freudentränen! Es funktioniert!

Also hatte ich auch weiterhin überhaupt keine Bedenken.

Doch leider begann dann doch ein langer Kampf! Ja, es war ein Kampf und zwischenzeitlich war ich sehr verzweifelt und kam an meine Grenzen. Die Frage stellte sich mir: Stillen um jeden Preis?

Ich dachte immer wieder an die vielen Frauen in Afrika, wo es so problemlos zu funktionieren zu schien... Es blutete mir das Herz, weil es für mich ein tiefes Bedürfnis war mein Kind zu stillen.

Meine tiefe innere Überzeugung und dass es mein Herzenswunsch war, zu stillen, ließ mich durchhalten. Doch das muss jede Mama auch selbst entscheiden und nicht im Übermaß an ihre Kräfte gehen. Ich möchte dir Mut machen zu stillen, auch wenn es vielleicht Startschwierigkeiten gibt, aber ich möchte dir auch Mut zusprechen, es abzubrechen, wenn es zu sehr an deine Kräfte geht, denn dein Baby braucht dich.

Nachdem wir herausgefunden hatten, dass zusätzlich zu meinen nicht optimalen Startbedingungen, auch unser Sohn nicht die besten Voraussetzungen hatte, gut saugen zu können, gab es wieder Hoffnung. Es wurde nach einer kleinen Odyssee von Zahnarztbesuchen das verkürzte hintere Zungenband durchtrennt und ich hoffte auf weniger Schmerzen beim Stillen, weniger wunde Brustwarzen und dass doch der Milchfluss noch mehr angeregt werden kann.

Zu dem Zeitpunkt half ich mit Pumpen die Milchproduktion anzuregen. Der Ertrag war erbärmlich: 20ml und zusätzlich Blasen von dem Pumpenaufsatz (ich habe sehr, sehr empfindliche Haut)  

Ich kam mir vor wie eine Melkmaschine. Entweder Kind oder Pumpe hingen an der Brust...

Doch die operierte Brust gab weiter nur ein paar Tropfen her.

Zu jeder Brustmahlzeit fütterten wir über verschiedenen Varianten zu (Flasche und über eine Sonde, angeklebt an der Mamille – ähnlich wie bei einem Brusternährungsset).

Es war wirklich ein langer Prozess bis wir unseren Weg fanden und ich war sehr dankbar professionelle Begleitung und Beratung gefunden zu haben. Ohne diese, hätte ich es nicht geschafft.

Unserem Sohn ging es nach der Durchtrennung des Zungenbandes sehr viel besser, sodass er keinen Reflux mehr hatte. Aber sein falsch antrainiertes Saugverhalten war schwierig bis gar nicht mehr abzugewöhnen.

Ich kam dann an den Punkt zu sagen, ok noch ein letzter Versuch mit Powerpumping und wenn das nicht fruchtet, konzentriere ich mich auf die nicht operierte Brust. Aber auch diese konnte nicht angeregt werden mehr Milch zu produzieren.

Somit blieb es bei einer Mischung von Zufüttern und Stillen. Dies war für alle Seiten dann eine gute Lösung. Ja, es war unpraktisch und es war nervig immer Flaschennahrung und Zubehör dabei haben zu müssen... Aber ich war dankbar, dass ich nicht ganz abstillen musste. Mein Ziel war es wenigsten 6 Monate zu schaffen!

stillendes Baby 2
Und was soll ich sagen? Ich stillte unseren kleinen Mann fast bis zum 2. Lebensjahr und war bei jeder Krankheit, jedem Wachstumsschub und bei jedem Zahnen dankbar für diese Stillbeziehung!

Zuerst stillten wir nachts ab, weil er nur noch „angedockt“ und dadurch sehr unruhig schlief, was mich an meine Grenzen brachte.  Nach drei Nächten war es geschafft.

Danach genossen wir beide um so mehr unsere gemeinsame Zeit beim Stillen am Morgen ganz besonders. Und noch heute ist es so, dass er nach dem Aufstehen auf dem Sofa kuscheln und lesen möchte.

Es stimmt mich sehr traurig, dass ich zwischenzeitlich immer wieder kritisiert wurde, dass ich „so lange“ stille. Vom Kinderarzt gab es keinerlei Unterstützung, als ich ihm mitteilte, dass es Komplikationen gibt. Für ihn zählte nur das Gewicht des Kindes und ich könne doch die Flasche geben... Auch bei anderen Ärzten musste ich mich manchmal rechtfertigen, dass ich noch stillend bin und es gab bei nur wenigen Verständnis. Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Stillen auch präventiv für Brust- und Eierstockkrebs ist. So kann ich noch weniger verstehen, dass selbst eine Gynäkologin erstaunt war, dass ich mein Kind noch stille- und da war er erst 10 Monate alt.

Ich war sprachlos für dieses Unverständnis und über ihre abfällige Bemerkung. Selbst die WHO empfiehlt 6 Monate voll zu stillen und bis zum 2. Lebensjahr oder darüber hinaus neben anderer Nahrungsgabe noch weiter zu stillen.

Warum sollen wir unseren Kindern das Beste vorenthalten?

Aus meiner Sicht hat das Stillen eigentlich nur Vorteile und keine Nachteile.

Aufgrund einer weiteren notwendigen OP wegen eines Schilddrüsenkarzinoms „musste“ ich dann doch schweren Herzens kurz vor dem 2. Lebensjahr abstillen. Es war für diesen Zeitpunkt die bessere Lösung, um ihn auch die Trennung durch den Krankenhausaufenthalt zu erleichtern. Ich bin mega stolz auf unseren Sohn, denn er hat das super mitgemacht. Für mich war es sehr emotional und all die Erinnerungen des schwierigen Startes liefen wieder wie ein Film vor mir ab. Aber jede Träne, jeder Schmerz, jeder Milchstau und jeder Kampf waren es wert! Wir hatten trotz Startschwierigkeiten und mit Flasche eine mega gute Stillbeziehung!

abstrakte Kunst
So war der Abstillprozess auch ein Stück Trauerarbeit. Beim allerletzen Mal Anlegen habe ich mir ganz bewusst gemacht, dass dies wirklich das letzte Mal ist und habe mir  danach auch Zeit zum Trauern genommen.

Ja, es war die ersten 3 Monate sehr herausfordernd, doch ich würde es jederzeit wieder so machen!

Aber: Wenn es zu kräftezehrend, zu emotional, zu zermürbend ist, es keine Unterstützung von seitens des Papas gibt, ist es der bessere Weg eine Alternative zu finden. Deshalb bist du keine schlechte Mama, sondern du bist eine starke Frau, die auf sich selbst achtet und für sich selbst sorgt, um für das Baby da sein zu können! Viel Körperkontakt/Bonding helfen sehr eine gute emotionale Bindung aufzubauen, auch ohne stillen.

So, oder so: Habe Mut zum Stillen, oder dafür zu kämpfen, aber auch Mut den für euch besten Weg zu gehen und für dich zu sorgen!

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