Aktuell ist wieder Weltstillwoche. Die Themenwoche findet einmal jährlich statt, wie viele anderen Themenwochen und -tage auch. Die diesjährige Woche steht ganz unter dem Motto Stillen stärken, was die Übersetzung des ursprünglich englischen Titels ist.
Doch was bedeutet es, das Stillen zu stärken?
Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht und möchte diese hier aufschreiben.
Ich finde tatsächlich, dass das Motto verschiedene Facetten hat und sich nicht in zwei Sätzen beschreiben lässt.
Das Thema Stillen stärken hat auf jeden Fall eine politische Seite. Es geht hier um die nationale, ebenso wie die internationale Stillförderung. Vielleicht fragst du dich, warum es überhaupt eine staatliche Stillförderung braucht. Allein dieser Themenbereich ist vielschichtig.
Hersteller von Milchpulvern und auch Hersteller, welche Produkte zum Füttern von Ersatznahrung produzieren, werben sehr präsent in den sozialen Medien und auch beispielsweise Zeitschriften rund Schwangerschaft und Babyzeit.
Da der Einfluss von Medien und Werbung auf das Stillen nicht neu ist, gibt es bereits seit 1981 den WHO-Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten. Dieser Kodex hat weltweite Gültigkeit. Es geht darum, dass Babys, die nicht gestillt werden, eine Formulanahrung, also eine flüssige Ersatzmahlzeit, zur Verfügung stehen soll. Diese Ersatznahrung soll gewisse Standards erfüllen, die hierzulande in einer EU-Richtlinie geregelt sind.
Auf der anderen Seiten soll der Vertrieb von Formulanahrung und Produkten, welche für die Nahrungsaufnahme genutzt werden, nicht gezielt gefördert oder beworben werden. Es sollen Mütter nicht vom Stillen abgehalten werden. Folglich darf für solche Produkte nicht geworben werden.
Doch was genau fällt unter den Kodex?
Unter den WHO-Kodex fallen in erster Linie Säuglingsanfangsnahrungen, also PRE- und 1er-Nahrungen, welche laut Hersteller in den ersten sechs Monaten gegeben werden dürfen. Gleiches gilt für Flaschen und Sauger. Auch Folgemilch und Spezialnahrung dürfen laut Kodex nicht vermarktet werden. Allerdings kommt es hier immer wieder zu Verstößen. Es gibt häufig Werbung oder sogar Proben für Folgemilch oder spezielle Säuglingsnahrung wie beispielsweise bei Bauchweh oder Verstopfung.
Durch die viel präsente Werbung haben Mütter, oder allgemein Eltern, bereits vor der Geburt verschiedene Hersteller im Kopf. Sie greifen bei Schwierigkeiten schneller darauf zurück, wenn sie nicht bereits vor der Geburt für den Notfall Flaschen und Milchpulver kaufen. Dies setzt die Hürde herab bei kleinen Problemen eine vermeintlich schnelle Lösung durch die Flasche zu nutzen, anstatt Unterstützung und Hilfe zu suchen und zu erhalten. Doch dazu komme ich später noch genauer.
Fachpersonal muss unabhängig beraten und darf nicht durch Zuschüsse, kostenlose Fortbildungen, Proben oder Ähnliches beeinflusst sein. Auch hier sehe ich noch deutlichen Handlungsbedarf.
Da die Umsätze von Babynahrung sich in den letzten Jahren fast verdoppelt haben, kritisiert die WHO das Marketing der entsprechenden Firmen. Mehr dazu kannst du im Spiegel-Artikel Umsatz fast verdoppelt – Kritik an Marketing bei Babynahrung nachlesen kannst.
Bei der politischen Seite geht es jedoch auch um das Gesundheitssystem. Die Kosten für Stillberatungen werden beispielsweise nur selten von Krankenkassen übernommen und es gibt kaum eine einheitliche Regelung, oft hängt es am Gutwillen der Sachbearbeitenden. Stillförderung kann daher ebenso sein, dass die Kosten für Unterstützung beim Stillen getragen werden.
Da Stillberaterin kein geschützter Beruf ist, halte ich es für wichtig, dass gewissen Ausbildungskriterien erfüllt sein müssen, damit die Kosten getragen werden.
Gleichzeitig sollte aber auch eine umfangreichere Unterstützung beim Stillen in der Hebammenversorgung möglich sein und entsprechend vergütet werden. Für einen Hausbesuch im Wochenbett werden Hebammen zwanzig Minuten bezahlt, in denen eine angemessene Stillunterstützung verständlicherweise nicht möglich ist.
Nur so ist der Zugang zu Unterstützung bei Stillschwierigkeiten wirklich für alle Mamas möglich, oder zumindest deutlich mehr, denn der Fachkräftemangel macht sich leider nicht nur im Handwerk bemerkbar. Es muss insgesamt viel mehr Unterstützungsangebote geben.
Natürlich gibt es ehrenamtliche Angebote wie von der AFS (der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen) und von La Leche Liga, doch diese reichen bei Weitem nicht aus.
Doch Stillförderung und Stillstärkung hat neben der politischen Seite, genauso gesellschaftliche und persönliche Aspekte.
Jede Mama sollte die Informationen zum Stillen erhalten, die dem aktuellen Wissensstand entsprechend. Und dies nicht erst nach der Geburt, sondern bereits in der Schwangerschaft.
Unterstützung beim Stillen betrifft nicht nur Stillberatung, sondern auch Treffen und Austausch für Mamas und Schwangere, wo sie sich ein realistisches Bild verschaffen können und wo sich Frauen gegenseitig stärken können, Schwierigkeiten zu überwinden.
Ich wünsche mir daher mehr Ehrlichkeit zum Stillen. Stillen muss nicht immer leicht sein. Es darf leicht sein. Es darf aber auch schwierige Phasen geben. Probleme können (oft) überwunden werden. Stillen darf verbunden sein mit Freude, ebenso wie mit Traurigkeit, Wut oder Überforderung oder was auch sonst eben an Emotionen und Gedanken da ist. Ich wünsche mir, dass darüber gesprochen wird.
Ich wünsche mir, dass wir mehr Vorbilder haben. Dass alle zu ihren eigenen Wünschen stehen können und sich dieser überhaupt bewusst sind. Ich wünsche mir, dass wir alle Rückhalt erhalten von unseren Familien, Freunden und Fachpersonal, egal, wie unsere Vorstellungen zum Stillen oder auch Nicht-Stillen aussehen und dabei nicht bewertet werden oder Druck erfahren müssen.
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