Rund um die Beikost und Beikosteinführung
Ich habe Franziska bei meiner Ausbildung zur Stillbegleiterin (DAIS) im letzten Jahr kennen gelernt. Sie begleitet nicht nur beim Stillen, sondern auch zum Thema Beikost. Ihr Ökotrophologiestudium unterstützt dabei ihr fachliches Wissen. Nun hat sie mir zu verschiedenen Beikostfragen einen Artikel geschrieben. (Natalie)
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Beikosteinführung?
Während im Laufe des vergangenen Jahrhunderts, aus verschiedenen Gründen, der Trend zu immer früherer Beikost und dem Ersetzen ganzer fester Milchmahlzeiten ging, sind sich heute die Experten zumindest einig: Beikost vor dem vollendeten 4. Lebensmonat/Beginn des 5. Monats ist nicht nur nicht notwendig, sondern kann sich durch die Unreife des Verdauungstraktes sogar schädlich auswirken.
Die WHO empfiehlt konkret für Industrieländer, Kinder in den ersten 6 Monaten ausschließlich und anschließend neben geeigneter fester Kost bis zum 2. Geburtstag oder darüber hinaus weiter zu stillen. Die europäischen Empfehlungen der ESPGHAN (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) sind da etwas lockerer bei „ungefähr 6. Monaten“ bis zur Beikost.
Da deutsche Kinder nun aber besonders schnell und besonders toll sind, sollen unsere Babys schon nach 4 Monaten die erste Milchmahlzeit durch Brei ersetzt bekommen. Möchte man zumindest meinen, wenn man so manche Broschüre liest. Das sich das in der Form so hält, hat verschiedenen Gründe, die zu erläutern hier etwas den Rahmen sprengen würde.
Nun denn, wenn es um offizielle nationale Empfehlungen geht, sollte man sich an die Empfehlung der Bundesinitiative „Gesund ins Leben“ halten. Daran haben verschiedene, auch industrieunabhängige Institutionen, mitgewirkt. Dort ist von einem Beikoststart zwischen dem 5.-7. Lebensmonat die Rede. Was dabei gern mal unter den Tisch fällt, ist, dass auch hier die individuelle Reife des Kindes berücksichtigt werden soll und kein Stichtag XY.
Man argumentiert heute mit dem Start nach dem 4. Monat (also Beginn des 5. Monats), dass man auch die Babys berücksichtigen will, die eben schon früh so weit sind. Mit der Erklärung kann ich leben. Denn wer schon mal etwas mit Babys zu tun hatte, stellt in der Regel sehr schnell fest, dass ihre Entwicklung in teilweise sehr großzügigen Zeitfenstern stattfindet und eben nicht alle zum gleichen Zeitpunkt auf dem gleichen Stand sind.
Grundsätzlich ist für ein gesundes, reif geborenes Kind die ausschließliche Ernährung mit Muttermilch bzw. Pre-Nahrung im ersten halben Lebensjahr vollkommen ausreichend. Vorher Beikost einzuführen bringt keine Vorteile für die Versorgung. Im Gegenteil bekommen Babys, die früher zugefüttert werden, und somit auch eher mit einer neuen Keimwelt in Kontakt kommen, auch bei uns häufiger Infekte.
Durch frühes Zufüttern verkürzt sich im Schnitt auch die Gesamtstillzeit, während auch bei uns noch Kleinkinder gesundheitlich von Muttermilch profitieren (sowie auch die Mütter von einer längeren Stilldauer).
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Was sind die Beikostreifezeichen?
Die Unicef hat dafür ziemlich gut erkennbare äußere Reifezeichen beschrieben: Der Zungenstoßreflex ist verschwunden, das Kind kann mit leichter Unterstützung im unteren Rücken für die Dauer einer Mahlzeit aufrecht sitzen und es kann sich selbstständig Essen mit der Hand zum Mund führen. Man geht davon aus, dass diese äußere Reife auch mit der ausreichenden Entwicklung des Verdauungstraktes einher geht, nun feste Nahrung zu verarbeiten und eine verfrühte Einführung von Beikost kurzfristig Verdauungsbeschwerden und langfristige Unverträglichkeiten begünstigen kann.
Zudem stellen diese Fähigkeiten auch Schutzmechanismen dar. Der Zungenstoßreflex soll ja gerade verhindern, dass ein Baby irgendetwas in den Mund nimmt oder gar schluckt, mit dem es noch nicht umgehen kann. Wer sich schon einmal im Halbliegen beim Essen oder Trinken verschluckt hat, weiß, wie wichtig eine aufrechte Sitzhaltung zum selbstständigen Abhusten ist. Auch die eigene Fähigkeit, sich Dinge in den Mund zu stecken, ermöglicht eben auch Kontrolle darüber was, wie viel und wie schnell etwas darin landet.
Nach diesen sichtbaren Merkmalen der Essfähigeit zu gehen, scheint mir sehr sinnvoll. Kalender sind ja eher eine neuere Erfindung und man kann wohl davon ausgehen, dass die Natur es nicht ganz umsonst so eingerichtet hat, wenn uns das Baby auf unserem Schoß die Stulle aus der Hand mopst, abbeißt und das dann frecherweise auch noch herunter schluckt.
Hier gilt es sicher die Empfehlung für Max Musterkind gegen die Bedürfnisse des eigenen abzuwägen. Anders herum eben auch, wenn nun die magische 6-Monatsgrenze überschritten ist, das Kind aber noch nicht so stabil sitzt oder ganz einfach noch kein Interesse am Essen hat. Denn erwiesener Maßen folgt der Zeitpunkt der Beikostreife der gesamten Babyschaft einer Normalverteilung. Heißt, die meisten sind zwar tatsächlich mit etwa 6 Monaten erst wirklich reif für Beikost und für einen Großteil beginnen zu diesem Zeitpunkt auch die Speicher gewisser Nährstoffe zur Neige zu gehen und benötigen Ergänzung zusätzlich zur Muttermilch (dies allerdings auch langsam und nicht auf einem Schlag). Auf einige trifft das allerdings auch schon etwas früher, auf andere erst später zu.
Die Anzeichen, die Omas Überlieferung nach ganz klar zeigen, dass das Kind doch nun „etwas Richtiges“ braucht, sollte man eher nicht für seine Einschätzung nutzen. Es guckt einem das Essen in den Mund und macht Kaubewegungen. Das trifft so ziemlich auf jedes Baby um den 3.-4. Monat zu. Die Kleinen sind jetzt in der Lage uns, ihre großen Vorbilder, richtig genau zu beobachten und nachzuahmen.
Die meisten Babys in diesem Alter werden allerdings Essen, das man ihnen in den Mund steckt auch schnell wieder heraus befördern und würden sich auch mit einem hübsch glänzenden Löffel zum Lutschen zufrieden geben. Wenn man im Halbliegen extra flüssigen Brei mit dem Löffel über den Zungenstoßreflex schiebt, kann man dieses Problem zwar umgehen, empfehlenswert ist das allerdings nicht. Auch dass ein Kind in diesem Alter häufiger Brust/Flasche oder insgesamt mehr Milch fordert, ist kein Anzeichen dafür, dass es nun allein durch diese nicht mehr satt wird und zusätzlich feste Kost braucht. Den Mehrbedarf während solcher Entwicklungsschübe kann es weiterhin mit seiner gewohnten Nahrung decken.
Wenn das Kind altersgemäß entwickelt und gesund ist, sollte man also ganz entspannt bleiben. Besteht auch noch mit 9./10. Monaten kein wirkliches Interesse an fester Nahrung, obwohl das Kind ausreichend Zugang dazu hat, ist es sinnvoll, den Eisen- und ggf. auch Zinkstatus bestimmen zu lassen (bitte nicht nur Hb-Wert). Geringe Speicher können zur Appetitlosigkeit führen und würden dann mit Supplementen und nicht mit Beikost behandelt.
Ein anderer Grund kann auch eine Einschränkung im Mundraum sein (etwa ein verkürztes Zungenband), die vlt. auch schon vorher zu Schwierigkeiten beim Stillen oder trinken aus der Flasche geführt hat. Ist keins davon der Fall, gibt es auch (selten) Kinder, die vollkommen gesund sind, aber auch bis zum 1. Geburtstag einfach noch kein Interesse haben und dabei trotzdem ausreichend über die Milch versorgt sind.
Was ist das richtige Babyessen?
Was das Baby nun essen soll, da ist die WHO ziemlich unspezifisch. Da das für den Großteil der Menschheitsgeschichte so ganz gut geklappt hat, empfiehlt sie lediglich ab 6 Monaten mehrmals am Tag geeignete Speisen anzubieten, die im jeweiligen Land üblich sind. Die sollen nährstoff- und energiereich sein und von der Beschaffenheit so, dass sie den aktuellen Fähigkeiten des Kindes entsprechen.
Ob das nun gemust, weich gegart, zum Abschaben mit den ersten Zähnen, vom Löffel, von Mund oder Hand zu Mund gefüttert oder selbstständig gegessen ist, dürfen die Eltern selbst einschätzen.
„Gesund ins Leben“ hält sich weiterhin an den „Brei-Fahrplan“, nach dem verschiedene Breie in bestimmter Abfolge zu den Hauptmahlzeiten etwa monatlich eingeführt werden. (Dieser Plan hat sich in Deutschland lange zur Säuglingsernährung „bewehrt“, allerdings ist das auch die einzige Begründung, dass er weiterhin beibehalten wird. Andere Industrienationen gehen nach anderen Breischemata mit anderen Lebensmitteln vor.)
Dazu soll dem Baby allerdings auch von Beginn an stückige Kost zum selber essen angeboten werden. Und wenn man mal direkt bei der Initiative nachfragt, bekommt man sogar eine ziemlich entspannte Antwort, zum selber Essen lassen „kleiner Breiverweigerer“.
Dass zu der Beikost weiterhin Muttermilch oder Säuglingsanfangsnahrung nach Bedarf gefüttert werden soll, da sind sich alle einig. Beim Essen soll eine ruhige, ablenkungsfreie Atmosphäre herrschen, es soll auch zum Essen ermuntert, aber die Hunger- und Sättigungssignale des Kindes berücksichtigt werden.
Also wie auch immer ihr es nun handhaben wollt, für manche Eltern ist es entspannter konkrete Vorgaben zu haben wie den Breiplan und dazu vielleicht noch die Möglichkeit fertige Breimahlzeiten kaufen zu können. Andere fühlen sich wunderbar frei, wenn sie das Baby einfach mit an den Familienmahlzeiten teilhaben lassen und unterwegs einen Snack für alle dabei haben.
Hier sollten aber auch wieder die Bedürfnisse aller möglichst gut zusammen kommen. Dass ein Baby nicht zum Brei essen genötigt wird, weil „Babys eben Brei essen müssen“. Genauso wenig, wie Babys bei babygeleiteter Beikost/baby-led weaning (BLW) nicht auch mal gefüttert werden dürften, wenn sie das möchten oder keine breiigen Speisen essen dürften, sind hartnäckige Missverständnisse.
Grundsätzlich ist Beikost ein Feld, in dem viel unfundiertes „das haben wir schon immer so gemacht“, mit (Erziehungs-)Dogmen, Wünschen der Eltern nach „guten Essern“, frühem Abstillen etc. aufeinander treffen. Manche Kinder sehen es als lieben Fürsorgedienst, gefüttert zu werden, andere fühlen sich in ihrem Autonomiebedürfnis beschnitten und wollen lieber haben, was alle anderen essen.
Egal, welche Beikostform man wählen möchte oder eine Kombination, macht es Sinn, sich mit dem jeweiligen „Konzept“ noch mal auseinander zu setzen. Dann aber eben wieder bei seinem Kind, dessen individueller Entwicklung und Bedürfnissen zu sein. Und sich mit einer gesunden Ernährung für alle auseinander zu setzen. Denn langfristig isst jedes Kind am Familientisch mit und orientiert sich an unseren Essgewohnheiten.
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